Sozialisation und Professionalisierung

 

 

 

 

In diesem Arbeitsschwerpunkt wird das Verhältnis zwischen Sozialisation und Professionalisierung am Beispiel der Sozialen Arbeit ausgelotet.

 

Dissertationsprojekt: „Spielräume des Ermessens – Sozialisationstheoretische Überlegungen zur Praxis Sozialer Arbeit“ von Michael Rölver schließt an Grundmanns Überlegungen zu Sozialisation als Soziale Praxis an. Es geht in der Dissertation um die Erforschung professioneller Sozialisation. Es soll versucht werden, zu entschlüsseln, welche Bedeutungen Ermessenspraxis in der Sozialen Arbeit im Rahmen dieser Sozialisationsprozesse zukommen.

Soziale Arbeit ist in hohem Maße von Unsicherheiten und Ambivalenzen geprägt, die nicht zuletzt aus zum Teil widersprüchlichen Erwartungen verschiedenster Akteure entstehen, wie etwa Klienten, Kostenträger oder Fachkräften. Aus postmoderner Perspektive ließe sich der Anspruch formulieren, dass eine professionelle Soziale Arbeit in der Lage ist, mit eben diesen Widersprüchen und Ambivalenzen konstruktiv umzugehen. Der Gesetzesgeber sieht, wie etwa in den Sozialgesetzbüchern der Bundesrepublik Deutschland (vgl. §2 Abs. (2) SGB II; §8a, SGB VIII) dargelegt, im konkreten Fall ausdrücklich Ermessensentscheidungen vor.

Das Erkenntnisinteresse der Forschungsarbeit liegt in der Bedeutung der Ermessenspraxis für die Soziale Arbeit begründet. Aus sozialisationstheoretischer Perspektive ist daher zu untersuchen, wie diese Bedeutung der Ermessenpraxis sozialisatorisch wirkt und welche Bedeutung ihr zukommt. Der Fokus der Analyse liegt dabei auf der sozialen Praxis des Ermessensgebrauch und ihrer Bedeutung für die Soziogenese professioneller Sozialer Arbeit.

 

Dissertationsprojekt von Kolja Tobias Heckes über den korporativen Akteur „Soziale Arbeit“ in und durch ein interdisziplinär-konstelliertes Palliativnetz. Ausgangslage meiner Studie ist die Wahrnehmung der Sozialen Arbeit als eine Profession, die in und am Rande von Orten tätig wird, an denen andere bzw. weitere Akteure Deutungshoheit für sich in Anspruch nehmen oder durch ihre Handlungsroutinen die praktischen Abläufe manifestieren. Soziale Arbeit möchte für ihre Klientel An- und Einschluss- bzw. Partizipationsmöglichkeiten in diversen Gesellschaftsbereichen generieren; so gesehen besteht die Funktion Sozialer Arbeit vielmehr darin, auf bestimmte Systeme einzuwirken (ob von „außen“ oder indem sie im Betrieb mit-wirkt, um dortige Exklusionsmechanismen auszumerzen) als darin, ‚die‘ (identitätsbildende) Führung zu übernehmen. Kleves (2007, 30; im Anschluss an Bardmann et al. 1996, 15) theoretische Konzeption einer „Profession ohne Eigenschaften“, die „in jedem Augenblick erneut entscheiden [muss], wer sie ist (…), kurz: welche Form sie sich gibt“, trägt diesem besonderen Merkmal Rechnung, kein starres Profil a priori zu besitzen, sondern situativ und handlungsfeldimmanent anpassungsfähig zu bleiben.

Genau darin besteht aber ein Risiko der Geringschätzung durch andere Akteure, die zum Teil sehr klar und aus sich selber heraus begründen, wer sie sind, respektive der Inbesitznahme Sozialer Arbeit für fremde Interessen – sei es um Verwaltungsabläufe zu stabilisieren oder ein bestimmtes Lager innerhalb diskursiver Aushandlungskämpfe zu stützen. Kurzum: ein weißes Blatt lässt sich beschriften, es bleibt nicht lange „weiß“ – ohne Eigenschaften – inmitten des (in Palliative Care höchst interdisziplinären) Ringens um »Claims«, um Souveränität, um Koalitionen und Oppositionen etc.

Für das Handlungsfeld „Palliative Care“ wird Soziale Arbeit somit oft entweder als randständiger Außenseiter neben alteingesessenen, evidenzbasierten Fächern wie der Medizin und/oder als geradezu prädestiniert für den Einsatz in der letzten Lebensphase, die in Ermangelung kurativer Therapieperspektiven unmittelbar entlang subjektiver Sinnstrukturen des Sterbenden zu gestalten sei, beschrieben (letzteres Mandat sieht bereits u. a. das hospizliche Ehrenamt bei sich). Was etwa Fachverbände und -gesellschaften, aber auch einzelne Autorinnen und Autoren, die zur Sozialen Arbeit in Palliative Care publizieren, da tun, ist, für die Soziale Arbeit einen Wirkungsraum zu reflektieren/sichtbar zu machen; diese Parteinahme wäre obsolet, wenn a) Soziale Arbeit ein irritationsbeständiges, endogenes Profil sowie einen unhinterfragbaren Wirkungsraum besäße bzw. b) es nicht weitere Akteure gäbe, die mit-definieren würden, wer oder was Soziale Arbeit in Palliative Care ist und welche Wirkungsreichweite von ihr ausgeht.

Wer ist der Akteur „Soziale Arbeit“ innerhalb der Kooperationen im Palliativnetz – und wie wird er dort (fortlaufend) erzeugt? – Die an dieser Stelle hypothetische Antwort lautet: Dadurch wie er von den anderen Akteuren gesehen und adressiert wird, wie er darauf wiederum re-agiert, wo er ent- und wo er widerspricht und auf welchen eingeprägten Spuren früherer/fortbestehender Routinen („Artefakte“) er wandelt. Wann immer Sozialarbeiterinnen und -arbeiter dieses und nicht jenes eigene Agieren damit begründen, dass man das schon immer so gemacht habe, dass das so Usus sei oder eben der Sozialen Arbeit im Allgemeinen entspräche – zum Teil ohne dass dies gesetzlich oder im Netzwerkorganigramm (alternativlos) formalisiert wäre – verweist das auf, oft implizite, Platzanweiser, die (zumindest bis zu einem gewissen Grad) widerstandsfähig, ja manifest sind bzw. reproduziert werden. Aufrechterhalten werden diese energetischen Räume und Grenzen durch kollektiv/von jeweils einzelnen Lagern getragenen Vorstellungen, von einem (Selbst-) Bild von Sozialer Arbeit, darüber, wo sie zu stehen/wie sie zu deuten und zu agieren hat.

Vorläufige Forschungsfrage: „Was ist beziehungsweise zu was wird Soziale Arbeit in der Kooperation von Palliative Care-Akteuren, welche Wirkungsräume stehen ihr entsprechend zur Verfügung und wodurch wird dieses handlungsfeldimmanente Profil und dessen Verortung aufrechterhalten?“

Quellen:

Bardmann, Theodor M.; Hansen, Sandra (1996): Die Kybernetik der Sozialarbeit. Ein Theorieangebot. Aachen: Kersting

Kleve, Heiko (2007): Postmoderne Sozialarbeit. Ein systemtheoretisch-konstruktivistischer Beitrag zur Sozialarbeitswissenschaft. 2. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag